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GEW: „Verbeamtete Lehrkräfte dürfen streiken!"
Beamtenstreik: Kasseler Richter bestätigen Rechtsauffassung der Bildungsgewerkschaft - Abkehr von der bislang in Deutschland herrschenden Rechtsaufassung
Kassel – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht sich in ihrer Rechtsauffassung zum Streikrecht für Beamte durch ein Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts (VG) Kassel bestätigt: Verbeamtete Lehrkräfte dürfen streiken. Die Bildungsgewerkschaft begrüßt die Entscheidung ausdrücklich. „Die Kasseler Richter hatten den Mut, bei der Beurteilung des Beamtenstreiks den letzten Schritt zu gehen, den das VG Düsseldorf Ende 2010 noch vermieden hatte: Die Kasseler Richter haben festgestellt, dass sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschrechte nicht nur ein Sanktionsverbot gegen streikende Beamten ergäbe. Die bislang herrschende Auffassung, die Arbeitsniederlegung von Beamten sei grundsätzlich ein Dienstvergehen, sei zudem nicht mit der EMRK und dem Völkerrecht zu vereinbaren", erklärte Ilse Schaad, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik, am Donnerstag in Frankfurt a.M.. „Jetzt ist eine höchstrichterliche Bestätigung des VG-Urteils fällig, damit das unzeitgemäße und vordemokratische Verbot des Beamtenstreiks endgültig zu Grabe getragen werden kann!"
Aus Artikel 11 EMRK folge, so die Kasseler Urteilsbegründung, „dass nunmehr nur noch solche Beamtinnen und Beamte einem Streikverbot unterfallen, die im hoheitlichen Bereich tätig seien. Nur diese Auslegung des Art. 33 Abs. 5 GG im Lichte der Europäischen Menschenrechtskonvention verhilft den Grundfreiheiten zur vollen Geltung und gewährleistet ein konventionskonformes Verhalten aller stattlichen Behörden. Der Kläger unterfällt als beamteter Lehrer nicht dem Streikverbot des Art. 33 Abs. 5 GG ..."
Erst am 19. August hatte das VG Osnabrück in einem Urteil zwar Sympathie für die jetzt in Kassel vertretene Rechtsauffassung erkennen lassen, sich als Gericht der 1. Instanz aber nicht in Lage gesehen, von der bislang höchstrichterlich formulierten Position abzuweichen.
Info: Das Verwaltungsgericht Kassel hat in einem heute bekannt gewordenen Urteil der Klage einer verbeamteten Lehrkraft stattgegeben und die gegen den Kläger verhängte Missbilligung für nicht rechtmäßig erklärt. Die Sanktionierung verstoße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und entspreche nicht der jüngeren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Auch ein Verstoß gegen deutsches Verfassungsrecht liege nicht vor. Dieses sei im Sinne der Grundfreiheiten der EMRK entsprechend zu interpretieren, begründeten die Richter ihr Urteil. Sie sind damit über die Entscheidung des VG Düsseldorf vom 16. Dezember 2010 hinausgegangen. Das Urteil des VG Kassel ist im Einverständnis der Prozessparteien im schriftlichen Verfahren ergangen und liegt seit dem 1. September 2011 vor. Im Anschluss an die Verhandlungen zum Abschluss eines Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst des Landes Hessen hatten die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes eine Übertragung der Regelungen zur Arbeitszeit auf die Beamten gefordert, insbesondere auch auf die Pflichtstunden der Lehrkräfte. Nachdem die Landesregierung dies abgelehnt hatte, hatte die GEW Hessen ihre Mitglieder für den 17. November 2009 zu einer eintägigen Arbeitsniederlegung aufgerufen, um der Forderung Nachdruck zu verleihen.
Gegen verbeamtete Lehrkräfte, die dem Aufruf der GEW gefolgt waren, wurden Missbilligungen und Verweise ausgesprochen. Hiergegen leitete die Rechtsabteilung der hessischen GEW einige Musterverfahren ein. Das erste dieser Musterverfahren hat jetzt zu o.g. Urteil geführt.
Alle Hintergrundinformationen zum Thema „Streikrecht für Beamte" finden Sie in der Zeitschrift „Der Personalrat" 12/2010, S. 466 – 468 und unter: http://www.bund-verlag.de/zeitschriften/der-personalrat/ausgabe/2010/12/ (Login notwendig). Für Rückfragen erreichen Sie Ilse Schaad, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Angestellten- und Beamtenpolitik, per Handy unter: 0151/15134646 und Dr. Hartwig Schröder, stellvertretender Leiter der Bundesrechtsschutzstelle der GEW, unter 069/97129322 oder per Handy unter: 0179/2298853.
Quelle: Pressemeldung der GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, 01.09.2011